Der Mohr an der Seite deutscher Kaiser war ein Heiliger

von Arndt Hopfmann und Joachim Oelßner

Obwohl der Begriff „Mohr“ heute sehr umstritten ist, begegnet er uns doch noch hin und wieder im öffentlichen Raum. Die Sicht auf den Mohr/die Mohren bzw. die Werte, die in dieses Wort hineininterpretiert werden, haben sich allerdings im Laufe der Zeit sehr verändert. Für die einen ist es Ausdruck rassistischen, kolonialen Denkens, für andere ist es ein wertfreier historischer Begriff zur Bezeichnung von Afrikanern oder Afrikanerinnen.

Schauen wir etwa eintausend Jahre in unserer Geschichte zurück, so finden wir, dass es das eine, überall gebräuchliche Wort für Menschen mit schwarzer Hautfarbe nicht gab.

Im gerade erschienen historischen Roman „Kegel Ripertus, ein Leben im 13. Jahrhundert“ fallen im Verlaufe einer Diskussion über den Magdeburger Dom beispielsweise die folgende Worte:

„Der Spörener Vogt warf ein, dass dieser Erzbischof den ersten Stein für einen neuen Dom auf das alte Fundament gelegt habe. Zugleich bleibe der Dom dem Heiligen Mauritius gewidmet, wie er wusste, einem schwarzen Heerführer der Römer, der für seinen christlichen Glauben hingerichtet wurde. „Da seine Waffen zu den Insignien unseres Königs gehören, muss das so sein!“ (S. 249)

Was hat es mit Mauritius und seinen Waffen auf sich?

Mauritius-Skulptur im Magdeburger Dom, um 1250 (Foto: Gemeinfrei)

Mauritius ((lateinisch, auch Mauricius; deutsch Moritz, französisch Maurice, auch abgekürzt Mohr) war Kommandeur einer römischen Legion zur Zeit der römischen Kaiser Diokletian und Maximian (um 280 bis 305 u.Z.). Als diese Mauritius gegen Christen einsetzen wollten, widerstanden er und die Legionäre dem Befehl. Jeder zehnte Mann der Legion wurde getötet. Die Verbliebenen weigerten sich weiterhin, der kaiserlichen Anordnung zu folgen. Daraufhin haben sich alle Legionäre für ihren Glauben hinrichten lassen.

Bereits im 9. Jh. wurde Mauritius im Königreich Burgund als Schutzpatron verehrt. Dort befand sich ebenfalls die Heilige Lanze. Mit ihr soll Longinius, der blinde römische Führer einer Hundertschaft, Jesus‘ Tod am Kreuz geprüft haben. Aus der Wunde flossen Blut und Wasser, benetzten sein Gesicht, worauf er sehend wurde und zum Christentum übertrat.

Der Legende nach soll Mauritius im Besitz der Heiligen Lanze gewesen sein, die später in die Hände des Königs von Burgund gelangte. Um die Region um Basel zu bekommen, übergab der Burgunder die Heilige Lanze dem ostfränkischen König Heinrich I.  Sein Sohn, Kaiser Otto I., erbte sie und übernahm von Burgund die Verehrung für Mauritius. Die Mauritiuslanze begleitete Otto I. bei der siegreichen Schlacht auf dem Lechfeld gegen die Ungarn (955 u.Z.). Sie galt als eines der mächtigsten heiligen Symbole des Reiches. 962 bestätigte der Papst die Heiligsprechung von Mauritius. Er wurde als Schutzpatron sämtlicher Kaiser sowie des Heiligen Römischen Reiches verehrt.

Statue des Heiligen Mauritius an einer Hausecke der Stadtverwaltung vonJüterbog

Im 10. Jh. gründete Kaiser Otto I. in Magdeburg das benediktinische Mauritius-Kloster, das zu seinen Lebzeiten zur Kathedrale erhoben wurde. Diese war St. Mauritius und St. Katharina gewidmet. Nachdem die Kathedrale 1207 einem Brand zum Opfer gefallen war, begann zwei Jahre später ihr Wiederaufbau. Um 1240 wurde jene Mauritius-Skulptur geschaffen, die noch heute im Dom bewundert werden kann.

Die Gesichtszüge von Mauritius sind afrikanisch, wie auch seine Hautfarbe.

Der Afrikaner Mauritius wurde ebenfalls zum Schutzheiligen des Heeres, der Messer- und Waffenschmiede. Er wurde vor Kämpfen, Gefechten und Schlachten um Hilfe angefleht.

Großes Wappen von Zwickau

Außer im Magdeburger Dom gibt es noch heute sichtbare Zeugnisse seiner Verehrung: Man sieht ihn an einer Hausecke der Stadtverwaltung von Jüterbog. Er gilt als Patron der Städte Coburg, Wiesbaden, Zwickau und weiterer Städte und Klöster, einige führen das Konterfei von Mauritius im Stadtwappen.

Die Mauritiuslanze, heute Longinius-Lanze, ist in der Wiener Schatzkammer zu bestaunen.

Außer der Heiligen Lanze wurden auch das Reichsschwert und Teile der Reichskleinodien dem Heiligen Mauritius zugeschrieben.

Sicher, nicht als Person war der Afrikaner Mauritius an der Seite deutscher Kaiser – aber als wirkmächtige Legende wurde er Teil der deutschen Kultur.

Wappen von Coburg

Wie wurde Mauritius aufgrund seiner Hautfarbe genannt? Vielleicht Mohr? In der Weihnachtsgeschichte ist einer der drei heiligen Könige ein Mohr. Im Mittelalter wurden schwarze Madonnen verehrt. Vielleicht folgten die Wertigkeiten zur Bezeichnung von Menschengruppen anderen Prämissen? Möglicherweise waren religiöse Zuordnungen, wie Muselmanen, Juden oder Christen, sowie soziale Kategorien, die vom Sklaven bis zum König reichten, dominant, sicherlich auch Sprache und Kultur, weniger die Hautfarbe. Vielleicht hätten sie eine solche Idee als absurd empfunden. Mauritius starb als Christ den Märtyrertod (um 290 u.Z.).

Übrigens gibt es in Deutschland viele Mohren-Apotheken, nicht zuletzt, weil viele wundersame Heilkräuter und Gewürze aus den Ländern der Mohren, dem Süden, kamen – deshalb wurde der Verweis auf den „Mohr“ als ein wertschätzender Apothekenname verstanden. So auch die Mohrenrestaurants: Mit diesem Namen taten sie kund, dass ihre Speisen mit fremdländischen Gewürzen schmackhaft zubereitet seien. Das Wort „Mohr“ wurde offenbar in vorkapitalistischen Verhältnissen weitestgehend wertneutral genutzt. Erst die westeuropäisch-kapitalistische Unterwerfung der Welt und der damit verbundene Rassismus, drängte einige althergebrachte Bezeichnungen beiseite und schuf neue abwertende, menschenfeindliche Begriffe wie das N-Wort. Generell durchdrang rassistisches Denken und Handeln alle Lebensbereiche. Auch das das Wort „Mohr“ geriet in diesen Strudel.

Afrikanerinnen und Afrikaner haben auch dank Mauritius allen Grund stolz auf ihre Geschichte in Deutschland zu sein!

Wissen um historische Entwicklungen und Ereignisse, auch wenn sie Jahrhunderte zurückliegen, haben durchaus für Gegenwärtiges Bedeutung.

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Übrigens, die Problematik, dass der Schutzheilige des Kaiserlichen Heers ein Afrikaner war, spielt in dem zitierten Buch weiter keine Rolle. Es war lediglich das kurze Zitat, das zu diesen Überlegungen führte.

Was im Buch von Bedeutung ist, ist die Einsicht, dass ethnische Konflikte, geprägt von unterschiedlichen Sprachen und Kulturen, lösbar sind. Zur Zeit der Handlung im Buch lebten Slawen und germanische Stämme im Saale-Unstrut-Gebiet auf engem Raum zusammen.

Mehr zum Buch: Ripertus, ein verachteter Bankert – ein Kegel – lernt dank seines Vaters lesen und schreiben. Damit gerät er in Widerspruch zu der göttlichen Rangordnung der Menschen. Nach Streitereien um viele Hufen des Giebichensteiner Grafen setzt Ripertus den Text für ihre Übergabe an die Naumburger Bischofskirche auf. Er wirbt erfolgreich um die bezaubernde Uta. Östlich der Saale verwaltet Ripertus Dörfer von Deutschsprachigen und Slawen. Er ist mit Herausforderungen ihres Zusammenlebens konfrontiert und spricht Recht. Zugleich gelingt es ihm, den althergebrachten Hakenpflug durch den eisernen Räderpflug zu ersetzen und so mehr Nahrung zu erzeugen. Doch für die Giebichensteiner Grafenfamilie bleibt er ein Emporkömmling. So muss Ripertus um sein und Utas Leben kämpfen und gerät auf einer Reise nach Mainz zwischen die Fronten von Papst und König im Deutschen Reich.

Autor: Joachim Oelßner, Erscheinungsdatum: 1. November 2025

ISBN 978-3-911115-32-2                  print                    23,00 €

ISBN 978-3-911115-33-9                  ebook                7,49 €

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