Lesenswert – „Kolonialismus – Imperialismus – Dekolonisation. Mitteleuropa in globalen Kontexten“

In die kontrovers geführte Diskussion von Deutschlands Einbindung in die Geschichte des Kolonialismus und Imperialismus – zwischen 1884 und 1914/15 – bringt dieser Band neue Erkenntnisse zu globalen Wirtschaftsbeziehungen, Reisen in außereuropäische Weltregionen, Erscheinungsformen kolonialer und postkolonialer Gewalt sowie kulturgeschichtliche Aspekte ein. Gewonnen wurden diese während zweier Jahrestagungen der Gesellschaft für Globalgeschichte in den Jahren 2022 und 2023, zu denen sich WissenschaftlerInnen verschiedener Disziplinen trafen: Vertreter der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Missionsgeschichte, HistorikerInnen verschiedener Spezialisierungen, z.B. der Geschichte Chinas, der Migrationsgeschichte, der Architektur und auch der Sprachwissenschaft.

Das Ergebnis ist ein vielseitiges Kompendium unterschiedlicher Aspekte kolonialer Ein- und Übergriffe in die Gesellschaften, die – wenn auch relativ kurzzeitig – von Deutschland kolonialisiert waren oder deren Kolonialisierung das Deutsche Reich anstrebte. Es ist ein Verdienst dieses Buches aufzuzeigen, wie die jeweilige Präsenz von Deutschen jene Gesellschaften nachhaltig beeinflusste. Behandelte Themen sind: Reisen zur Eruierung der Vereinnahmung von Land, Verstrickung deutschsprachiger Akteure in den Sklavenhandel, asymmetrische Handelspraktiken, Architektur, Amateurforschung über indigene Kulturen und sogar Kochbücher. So vielseitig diese Aspekte von Einflussnahme auf Gesellschaften sind, die sich mit unterschiedlichem Erfolg gegen den unerwünschten Aufenthalt von Eindringlingen wehrten, so breit gestreut sind die Einsichten, die aus der Lektüre des Buches gewonnen werden können. Das Buch bleibt nicht anklagend bei der Auflistung von kolonialen Interventionen stehen, sondern zeigt auch Wege, wie ein Bewusstsein für die koloniale Vergangenheit z.B. durch künstlerische Projekte der Gegenwart geweckt werden kann. Ferner zeigt es Wege auf, die begangen werden, um den Kolonialismus vor Ort vor allem auf städtischer Ebene aufzuarbeiten. Für alle, die sich mit dem Nachhall der deutschen Kolonialgeschichte befassen, ist dieses Buch sehr empfehlenswert.

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Markus A. Denzel und Mark Häberlein Hg.: Kolonialismus – Imperialismus – Dekolonisation. Mitteleuropa in globalen Kontexten (16. Bis 20. Jahrhundert). Franz Steiner Verlag Stuttgart 2025
(315 Seiten, 58,-€)

Godula Kosack

(Leipzig, im September 2025)