
Am 1. September 2025 fand im Leipziger Missionshaus eine Veranstaltung im Rahmen der Interkulturellen Wochen Leipzig statt. Unter dem Titel „Verdrängte Geschichte. Menschliche Gebeine in deutschen Sammlungen“ wurde ein Thema aufgegriffen, das bis heute kaum öffentliche Aufmerksamkeit findet, jedoch von großer historischer und gesellschaftlicher Bedeutung ist: der Umgang mit den in Deutschland verwahrten menschlichen Gebeinen aus kolonialen Kontexten und deren Rückführung an die Herkunftsgesellschaften.
Ein verdrängtes Kapitel der Geschichte
Während der deutschen Kolonialherrschaft wurden zehntausende menschliche Gebeine aus Afrika, Ozeanien und anderen Regionen nach Deutschland gebracht. Sie dienten der Wissenschaft, wurden in Museen und Sammlungen aufbewahrt, sogar kommerziell vertrieben oder gerieten schlicht in Vergessenheit. Für die betroffenen Familien und Gemeinschaften sind diese Gebeine jedoch Teil ihrer Geschichte, Kultur und Würde.
Die Rückführung menschlicher Gebeine an ihre Herkunftsgesellschaften ist bis heute äußerst schwierig. Viele Schädel, Skelette und Knochen wurden ohne genaue Angaben gesammelt, sodass oft nicht mehr nachvollziehbar ist, von welcher Person oder aus welcher Region sie stammen. Hinzu kommt, dass die Gebeine über Museen, Universitäten, Missionsarchive und private Sammlungen verstreut sind, wodurch häufig unklar bleibt, wer rechtlich für eine Rückgabe verantwortlich ist. Selbst wenn Herkunftsgesellschaften Ansprüche stellen, sind die Verfahren langwierig und bürokratisch kompliziert. Zudem müssen die Nachfahren der Betroffenen ihre Forderungen gegenüber europäischen Institutionen durchsetzen – ein Prozess, der die bestehenden Machtungleichheiten und die fortwirkenden Ungerechtigkeiten der Kolonialgeschichte deutlich macht.
Als thematischer Ausgangspunkt diente auf der Veranstaltung am 1. September der Film „Das leere Grab“ (2024) der Regisseurinnen Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay. Der Film begleitet zwei Familien aus Tansania, die seit Jahrzehnten nach den Gebeinen ihrer Vorfahren suchen, welche von der deutschen Kolonialmacht verschleppt wurden. Ihre Spur führt nach Deutschland, wo die Suche nach Wahrheit, Verantwortung und Rückgabe weitergeht.
Auch wenn der Film an diesem Abend nicht gezeigt wurde, bildete er den roten Faden für die Diskussion. Das Leipziger Missionswerk hat einen der Protagonisten, Felix Kaaya, und die tansanische Regisseurin Cece Mlay nach Deutschland eingeladen. Felix Kaaya aus Arusha ist auf der Suche nach den Gebeinen seines Vorfahren Mangi Lobulu Matinda Kaaya. Im Jahr 1900 weigerte sich dieser, der deutschen Kolonialverwaltung sein Land zu überlassen, und wurde deshalb zusammen mit 18 weiteren Männern hingerichtet.
Hinweis: Der Film „Das leere Grab“ ist für Vorführungen in Sachsen über die Evangelische Medienzentrale kostenfrei abrufbar. Dort steht auch das umfangreiche Arbeitsmaterial von Carolin Ziemann zur Verfügung. Registrierte Personen können den Film herunterladen oder streamen. Hier geht’s zum Film: https://medienzentralen.de/sachsen

Während der Veranstaltung; v.l.n.r.: Susann Küster-Karugia, Felix Kaaya, Daniel Keiling, Cece Mlay,
Dr. Valence Silayo, Isabelle Reimann, Antje Lanzendorf
In der Veranstaltung wurde deutlich, dass auch Leipzig eine enge Verbindung zur Kolonialgeschichte hat. Als Sitz des Missionswerks und wichtiger Wissenschaftsstandort war die Stadt in koloniale Strukturen eingebunden. Diese Vergangenheit kritisch zu beleuchten, Verantwortung zu übernehmen und in den Dialog mit den betroffenen Gesellschaften zu treten, ist ein wesentlicher Schritt hin zu einer ehrlichen Aufarbeitung.
Dank und Ausblick
Wir danken allen Mitorganisatoren – insbesondere dem Leipziger Missionswerk – für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Ein besonderer Dank gilt unseren Gästen aus Tansania (Felix Kaaya, Cece Mlay und Dr.Valence Silayo), die ihre persönlichen Geschichten mit uns geteilt haben und so einen tiefen Einblick in die andauernden Folgen kolonialer Gewalt ermöglichten. Ebenso ein Dank an Isabelle Reimann für die Moderation der Veranstaltung.
Die Auseinandersetzung mit diesem Thema wird uns auch in Zukunft begleiten. Wir hoffen, dass die Veranstaltung dazu beigetragen hat, das Bewusstsein für die Bedeutung von Rückführungen zu stärken und neue Räume für Dialog und Verantwortung zu eröffnen.
Spendenaufruf
Felix Kaaya bittet um Unterstützung für eine Delegationsreise nach New York, um die Rückkehr der Gebeine seines Ahnen nach Tansania vorzubereiten. 2022 wurden sie im American Museum of Natural History (AMNH) in New York identifiziert. Felix Kaaya möchte nun in Begleitung einer kleinen Delegation nach New York reisen, um dem Ahnen zu begegnen, direkte Gespräche mit den Museumsverantwortlichen zu führen und Archivmaterial zu sichten. Das AMNH hat Felix Kaaya zu diesem Besuch eingeladen, übernimmt aber keine Reisekosten. Ziel ist es, die baldige Rückkehr Mangi Lobulus an den Mount Meru vorzubereiten. Dort soll eine Gedenkstätte an seine Geschichte und den Widerstand der Wameru gegen die deutsche Kolonialbesatzung erinnern.
Kontoinhaber: Leipziger Missionswerk
Spendenzweck: Rückführung Mangi Lobulu
IBAN: DE37 3506 0190 1608 7000 10
Bank für Kirche und Diakonie