Trinkwasserprojekt im Vallée du Ntem (Kamerun)

Das „Trinkwasserprojekt Kamerun“ wurde von der DAFRIG getragen und von der Stiftung Nord-Südbrücken finanziert. In seinem Rahmen wurden im Vallé du Ntem in Südkamerun zwei Pilotbrunnen errichtet mit der Option, daß nach erfolgreichem Abschluß, die Mittel für weitere 18 Brunnen bewilligt würden.

Grund für das Projekt ist die Tatsache, daß es im Regenwald zwar Wasser gibt, daß aber der Zustand des Oberflächenwassers so schlecht ist, daß es ein ständiges gesundheitliches Risiko bedeutet. 1996 hatte eine Durchfallepidemie vielen Menschen in der Region das Leben gekostet. Sauberes Wasser ist in der Gegend erst in einer Tiefe von 12 bis 40 Metern zu finden.

Die Association du Développement de la Vallée du Ntem hatte Dörfer und Gesundheitsstationen im Ntem-Tal aufgerufen, sich um einen Brunnen zu bewerben. Interessierte Dorfgemeinschaften mussten einen Eigenanteil – Steine, Sand, Zement – organisieren und sich bei der Association melden, um ihr Anliegen mit deren Vertretern zu besprechen.

1. Mebem

Der erste bereits fertiggestellte Brunnen ist in dem Dorf Mebem in einem sumpfigen Gebiet in der Nähe des Flusses Mvila etwa 15 km westlich von Meyo Centre. In diesem Dorf wurde die Idee des Projekts geboren. Es ist das Dorf, in dem der Projektverantwortliche Christian Minkoe aufgewachsen ist. Hier legte die Gemeinschaft vor 10 Jahren Geld zusammen, um ihren „Sohn“ nach Deutschland zum Studium zu schicken in der Hoffnung, daß er ihnen später bei der Entwicklung behilflich sein würde. Der Brunnen mit klarem Trinkwasser ist die erste Antwort darauf (Bilder 1 bis 3). Dieser Brunnen wurde 16 Meter tief gebohrt. Die Tiefwasserschicht beginnt hier bereits bei 8 – 9 Metern. Der Brunnen ist geschlossen und wird mit einer Handpumpe betrieben, die leicht zu bedienen ist, so daß sie auch von Kindern betätigt werden kann.

2. Minkan Mengale

Der zweite fertiggestellte Brunnen befindet sich in Minkang Mengale, etwa 25 km südwestlich von Mebem. Dieses Dorf war als erster Standort ausgesucht worden, weil die Durchfallepidemie hier besonders viele Opfer holte. Bild 5 veranschaulicht, in welcher Nähe zum Tod sich die Menschen hier befinden. Wasser, vor allem sauberes Wasser, bedeutet Leben. Der Dorfhäuptling ist von der Flußblindheit geschlagen. Er dankt im Namen der Bewohner für die Verbesserung der Lebensbedingungen, die für ihn zu spät kommt. Die ehemalige Wasserstelle spricht für sich.

3. Meyo Centre

Meyo Centre (Bild 8) ist ein kleiner Ort 60 km südlich von Ebolowa an einer Straßengabelung gelegen, von der aus es 50 km südöstlich nach Ambam und 60 km südwestlich nach Ma’an geht. In Ebolowa endet die Asphaltstraße von Yaoundé kommend, und die Ortschaften südlich davon sind deutlich weniger entwickelt, was die Infrastruktur betrifft. Ganz besonders ist davon das Gesundheitswesen betroffen. Meyo Centre hat kein trinkbares Wasser. Vor zwei Jahren hat eine schwedische Organisation nach Wasser gebohrt und den Brunnen mit einer Motorpumpe versehen. Doch war deren Bohrung nicht tief genug. Nach wenigen Monaten war das Reservoir, das sie angezapft hatten, erschöpft.

In Meyo Centre besichtigten wir die 1946 gegründete staatliche Gesundheitsstation (Bild 9), zu der PatientInnen bis zu 50 km über die schlechten Straßen und teuren Transportmittel anreisen um von zwei Krankenpflegern behandelt zu werden. Die Ausrüstung der Krankenstation ist allerdings trostlos, wie die Bilder 10 und 11 veranschaulichen. Die Gesundheitsstation besteht aus deinem Büro, das gleichzeitig als Apotheke dient, einem Behandlungsraum und einem zur Straße hin offenen Wartezimmer. Stationäre Behandlung ist nicht vorgesehen. Ein Pockenkranker, der wegen der Ansteckungsgefahr isoliert werden muß, ist in einem Nebengebäude, das als Abstellkammer dient, untergebracht (Bild 12).

Die häufigsten Krankheiten, die hier behandelt werden müssen, sind

  • Malaria
  • Bakterielle Durchfallerkrankungen
  • Verletzungen
  • Krankheiten aufgrund von Mangelernährung

Im Jahr 1996 gab es als Reaktion auf die Durchfallseuche Mittel von einer französischen NRO, um die Wasserstellen der Gegend mit einem antibakteriellen Mittel zu behandeln. Diese Maßnahme zeigte vorübergehend Erfolg, wie aus der Kurve links auf Bild 13 zu sehen ist, die die Häufigkeit der behandelten Durchfallerkrankungen darstellt. Inzwischen sind diese Mittel allerdings erschöpft und die Häufigkeit der Durchfallerkrankungen hat ihren „Normalstand“ von vor der Epidemie erreicht.

Die nötigen hygienischen Maßnahmen in der Gesundheitsstation einzuhalten, ist nicht nur deshalb schwierig, weil die Ausrüstung unzureichend und veraltet ist, sondern auch weil es kein keimfreies Wasser gibt. Diese Gesundheitsstation hat sich deshalb um einen Brunnen beworben. Er wird den Menschen weit über diese Ortschaft hinaus dienen.

4. Evindici

In Evindici, etwa 5 km südlich von Mbem, befindet sich ein von der presbyterianischen Mission betriebenes Krankenhaus, das im Jahr 1947 von Amerikanern als Leprastation gebaut worden war (Bilder 14-17). Es handelt sich um ein solides Ziegelsteingebäude, das allerdings in den 50 Jahren seit der Erbauung noch keine größeren Reparaturen erfahren hat. So wäre ein neues Dach äußerst notwendig.

Leprakranke finden hier immer noch ihre fachärztliche Behandlung, doch kommt der einzige Arzt weit und breit nicht umhin, über die Betreuung der 30 Leprakranken hinaus zunehmend auch andere Krankheiten zu behandeln. Davon werden im Durchschnitt 4 bis 5 Patienten in akuten Krisen, also bei offenen Wunden, stationär untergebracht, die übrigen kommen zur ambulanten Behandlung. Dem liegt das fortschrittliche Konzept zugrunde, daß Lepra wie alle anderen Krankheiten anzusehen sei und die Patienten von der Familie zu versorgen seien. Die Ansteckungsgefahr ist bei weitem nicht so groß wie dies ihr Ruf glauben läßt und z.B. viel geringer als die der Tuberkulose. Nur Neuinfizierte können die Krankheit weitergeben und werden entsprechend 3 bis 4 Monate in Quarantäne gehalten. Bei unserer Ankunft hatte der Arzt gerade eine Leistenbruchoperation beendet (Bild 18).
Wir mußten uns von der veralteten und unzureichenden Ausrüstung des Krankenhauses überzeugen. Bilder 19 – 21 zeigen den Operationssaal, Bild 22 den Kreißsaal und Bild 23 den Sterilisator. Vor zwei Jahren hatte eine Schweizer Hilfsorganisation ein Stromaggregat gestiftet, doch war die Anlage zu aufwendig und reparaturanfällig. Sie liegt brach. Nur bei Operationen kann der Dieselgenerator angeworfen werden, der für den normale Stromverbrauch zu kostspielig ist. Ein Kühlschrank ist nicht vorhanden und deshalb können keine Impfseren aufbewahrt werden. Es gibt keinen Techniker vor Ort, und alle Reparaturen müssen von dem Arzt selber durchgeführt werden. Diese Zeit geht ihm von der so wichtigen medizinischen Betreuung verloren.
Der Arzt führte uns zu dem Brunnen des Krankenhauses (Bilder 24 und 25), der für alle Krankheitserreger offen ist und dessen Wasserqualität sehr zu wünschen übrig läßt. Das Krankenhaus in Evindici ist als ein Brunnenstandort vorgesehen. Wenn auch sonst die Ausrüstung denkbar unzureichend ist, so soll doch wenigstens das Wasser sauber sein. Dieser Brunnen wird vielen Kranken nützen.

5. Okong

Im Dorf Okong, zwischen Mebem und Evindici gelegen, hatten sich bereits die Männer in dem Versammlungshaus (Bilder 26 und 27) versammelt, als wir eintrafen. Hier wurde bereits ein Beitrag von den Bewohnern eingesammelt, um den Zement davon zu bezahlen, und den nötigen Sand haben sie bereits im Wald angehäuft. In den kommenden Wochen werden sie auch die erforderlichen Steine gesammelt haben. Da es bereits spät ist, verzichten wir darauf, uns die Wasserstelle zeigen zu lassen.

6. Afan Messama II

In Afan finden wir bereits am Ortsschild den Beweis, daß hier alles getan wird, um bald einen Brunnen zu erhalten. Sand und Steine sind unmittelbar am Ortsschild aufgehäuft (Bild 28). Wir wurden im Wohnzimmer vom Dorfhäuptling von Afan Messama II, etwa 20 km nördlich von Mebem, empfangen (Bild 29). Der Dorfhäuptling (links auf Bild 29) berichtet, daß er selber eine Amöbenruhr hinter sich hat und daß seine Frau und sein Kind einen Monat mit bakteriellem Durchfall im Krankenhaus verbringen mußten. Er mag sich diese Behandlung leisten können. Ärmere Leute sind der Infektion hilflos ausgeliefert.
Daß hier ein Brunnen nötig ist, davon konnten wir uns überzeugen, als wir zu der Wasserstelle geführt wurden. Das Trinkwasser wird aus dem nahen Fluß geholt, und zwar an derselben Stelle, wo die Wäsche gewaschen wird und wo sich die Kinder tummeln (Bild 30). Bild 31 zeigt die Qualität des Wassers, das nach dem Bad nach Hause getragen wird.

7. Messama III

In Messama III, ganz in der Nähe von Afan, findet die Versammlung im Wohnraum einer Großfamilie statt (Bilder 32 und 33). Auch hier wird mir berichtet, daß bereits Sand und Steine nicht weit vom Dorf aufgehäuft wurden.
Dieses Dorf ist bereits besser organisiert als viele andere. Die Gemeinschaft partizipiert mit Eigenleistung an dem Bau einer großen Kirche (Bild 34).

Da sich das Dorf über anderthalb Kilometer erstreckt, taucht die Frage in der Versammlung auf, ob eventuell auch zwei Brunnen gebohrt werden könnten. Wenn der Weg zu weit zum Brunnen wäre, würden die Leute vielleicht doch lieber weiter aus den Wasserstellen schöpfen. Meine Antwort darauf ist, daß es sehr viele Anwärter für eine begrenzte Anzahl Brunnen gibt und daß dieser eine Brunnen ein Anfang sei. Wo genau er zu plazieren wäre, das hängt von der Entscheidung der Bewohner und von der zu erstellenden Expertise ab.

Der Weg zur Wasserstelle führt – wie es für diese Dörfer typisch ist – durch eine Kakaoplantage (Bild 35) über einen beschwerlichen Abstieg in eine Senke. Dort wird Oberflächenwasser geschöpft (Bilder 36 und 37), das dann mühsam den steilen, oft glitschigen Weg (Bilder 38 und 39) ins Dorf getragen werden muß. In Messama III gibt es auch noch einen Brunnen mit Oberflächenwasser (Bild 40), dessen Wasser von der Bevölkerung als noch weniger brauchbar angesehen als das der Wasserstelle und deshalb nur zum Waschen benutzt wird.

8. Meyos

In Meyos sind Frauen und Männer im Versammlungshaus zusammen gekommen (Bild 41). Zwar haben die Frauen keine Stimme, aber es ist schon ein Fortschritt, daß sie an der Versammlung teilnehmen. Das Versammlungshaus ist sonst nur Treffpunkt der Männer. Die Wasserfrage aber betrifft vor allem die Frauen, die die beschwerlichen Wege zur Wasserstelle zurücklegen müssen. Ein näherer Blick auf die Wasserstelle überzeugt von der Notwendigkeit eines Brunnens. Könnte Bild 42 noch den Eindruck erwecken, als sei das Wasser nicht schlechter als vielerorts in der Welt, so zeigt doch die Nahaufnahme (Bild 43), was sich die Menschen einverleiben, wenn sie das trinken.

9. Zo’etale

Die Versammlung in Zo’etale am Ntem, wo die Straße aufhört und wo jenseits nur noch Fußwege zu begehen sind, fand nicht statt. Hier hätten Vertreter mehrerer Dörfer von jenseits des Ntem, die zum Teil vier Deltaarme des Ntem zu überqueren haben, kommen sollen. Vermutlich gab es Kommunikationsprobleme. Das wäre nicht verwunderlich, denn die ganze Gegend ist auf Botendienste angewiesen, da es weder Telefon noch eine funktionierende Post gibt.

10. Nkoroveng

In Nkoroveng, etwa 10 km südlich von Meyo Centre, erklärt uns der Dorfhäuptling (Bild 44), daß die Bevölkerung bereits einen Teil des Sandes gesammelt habe, daß sie nun aber das Ende des Regens abwarteten, um den Rest zusammenzutragen.
Die Wasserstelle bietet das übliche schockierende Bild (Bild 45): ein stehender Tümpel, der gar zwei Dörfer mit Trinkwasser versorgt. Es handelt sich hier um eine wahre Sammelstelle für Mikroben aller Art. Der Eimerinhalt der schwangeren Wasserschöpferin (Bild 46) zeigt, daß die trübe Färbung keine durch mangelndes Licht verursachte optische Täuschung ist. Die Durchfallempidemie im Vallée du Ntem hat hier besonders gewütet, so daß Nkoroveng den bitteren Beinamen „Worldcup“ erhielt.

11. Abang Minko’o

Abang Minko’o, am Ntem gelegen und Grenzstadt zum Gabun (Bild 47), in der ein Wochenmarkt regelmäßig Tausende von Menschen zusammenführt, hat keine Wasserversorgung. Eine staatliche Gesundheitsstation (Bild 48), seit anderthalb Jahren ein Centre de santé intégré (Poliklinik), wird von Gabunern wie von Einheimischen aufgesucht. Hier gibt es keine Elektrizität, keine Krankenbetten, keinen Gebärtisch, kein Mikroskop, keine Möglichkeit, Impfseren aufzubewahren.
Die Apotheke (Bild 49) macht einen monatlichen Umsatz von 300.000 bis 500.000 Francs (das sind etwa 900 bis 1500 DM), und das bei den gestützten Preisen des staatlichen Pro-Pharmacie-Projektes. Das zeigt, wie gefragt diese Gesundheitsstation ist. Die Gabuner kommen von weit her, denn im Norden Gabuns gibt es überhaupt keine Gesundheitsversorgung. Die Gesundheitsstation besteht aus einem Sprechzimmer (Bild 50) und einem „Kreißsaal“ (Bild 51). Die Frauen haben keine Möglichkeit, sich irgendwo auszuruhen. Ein Sponsor hat dem Ort eine Kirche und eine Schule gestiftet. Die beiden Krankenpfleger hoffen auf sauberes Wasser, um wenigstens die Hygiene in ihrer Gesundheitsstation gewährleisten zu können. Ein solarenergiebetriebenes Kühlaggregat zur Aufbewahrung von Impfseren wäre das Höchste der Gefühle.

12. Meyo Bibulu

Statt eines sachlichen Berichts füge ich an dieser Stelle meine Tagebucheintragung ein: Meyo Bibulu ist das letzte Dorf vor der Grenze zu Äquatorial Guinea. Wir treffen nach einer langen Autofahrt kurz vor Sonnenuntergang dort ein. Hier „am Ende der Welt“, wie es uns erschien, nachdem wir kilometerweit über Straßen, die diesen Namen nicht verdienen, durch üppiges Waldgebiet, hier und da ein menschenleeres Dorf durchquerend geholpert sind. Doch hier auf einmal ist Leben. Palmwedel schmücken die Dorfstraße, Menschenmassen in festlichem Aufzug, hier ist „etwas los“. Ein Dorfhäuptling wurde inauguriert, wie wir bald erfuhren, nicht ohne den Unterton: „Ihr kommt ungelegen.“ Dazu gab es sogleich die Erklärung: „Der Souspréfet ist da!“ „Na und?“ war unsere Antwort. „Deshalb können wir doch über den Brunnenbau sprechen.“ Bald versammelte sich eine Gruppe Männer im Versammlungshaus, die Frauen blieben draußen und blickten den Männern über die Schultern. Drei Häuptlinge waren darunter, wurde mir erläutert. Der jüngste von ihnen war der soeben Ernannte. Dieser stellte sich mit seinem neuen roten Käppi auf dem Haupt vor uns hin und erklärte mit einer nicht mehr ganz nüchternen Stimme: „Sie sind hier in Sicherheit!“ Ich wunderte mich: „Warum sollten wir denn nicht in Sicherheit sein?“ Christian stellte seine Frage indigniert und laut: „Ich bin ein Kamerunese und bin in Kamerun. Weshalb sagen Sie, wir wären hier in Sicherheit?“ Doch ließ die Antwort auf diese Frage nicht lange auf sich warten. Ehe es zu einem Gespräch kam, wurde Christian zum Souspréfet zitiert. Er blieb lange weg. Ich saß mit Luzie (meiner Tochter) in der Menge und verstand kein einziges Wort, das um mich herum gesprochen wurde. Ich merkte nur, daß die Stimmung schon recht alkoholisiert war und hoffte, daß wir bald unsere gegenseitigen Erklärungen des guten Willens los werden würden, um die wohlverdiente Abendruhe genießen zu können. Als Christian nach geraumer Zeit zurückkehrte, raunte er uns nur zu, er hätte gerade ein regelrechtes Verhör über sich ergehen lassen müssen. Der Souspréfet, umgeben von seinen „Geschenken“ (mehrere lebende Ziegen und Hühner) und mit seinen Kumpanen aufs deftigste essend und trinkend hatte ihn mit vollen Backen gefragt, wer er denn sei, was er wolle und wieso er nicht seine Erlaubnis eingeholt hätte, ehe er hier ein Projekt anleiern wolle. Nun erklärte Christian der Versammlung den Sinn unseres Kommens. Da baute sich ein „Intellektueller“, ein Lehrer, in der Mitte des Männerhauses auf und gab im aggressiven Ton, sich ständig wiederholend Worte mit etwa folgendem Inhalt von sich: „Die Regierung hat schon so viele Versprechungen gemacht! Was sollen wir mit einem Brunnen? Uns wurde Elektrizität versprochen! Wo bleibt die? Ich habe lebenslänglich aus unserer Wasserstelle getrunken und hatte noch nie eine Krankheit. Sagt Paul Biya endlich, daß wir Strom haben wollen!“ Anhaltender Beifall von einem Teil der Versammlung. Mir stockte der Atem. Da ließen andere, leisere Stimmen vernehmen, dieser Mann spreche nicht für alle. Christian vermittelte, daß wir nichts mit der Regierung zu tun und deren leere Versprechungen nicht zu verantworten hätten. Der Lehrer, der diesen Teil der Unterredung aussparte, kehrte von (vielleicht) einem weiteren Glas Palmwein zurück und hielt denselben Sermon, den er eben von sich gegeben hatte, noch einmal. Mein Unbehagen wuchs. Ich sagte zu Christian: „Ich glaube, wir gehen jetzt.“ In demselben Augenblick ging die einzige Glühbirne aus (Zufall oder Finte?) und ein Tumult entstand. Ich nahm Luzie am Arm und zog sie in die Richtung unseres Autos. Zum Glück waren die Türen offen, und wir konnten einsteigen. Wieder beschwichtigten uns zwei junge Männer: „Sie sind hier in Sicherheit!“ Ich nickte mit einem zum Lächeln verzogenen Mund und fühlte mich alles andere als sicher. Mir kamen Nachrichten in den Sinn, wie Entwicklungshelfer auf Nimmerwiedersehen verschleppt worden waren. Eine frustrierte Menge, die einen Sündenbock sucht, eine machtgierige Lokalgröße, die sich übergangen fühlt und einen Haß hat auf alle, die sich auf die Seite der Leute stellen, wer weiß in welches Kreuzfeuer jemand geraten kann? Es erschien mir sehr lange, bis Christian endlich kam, ruhig mit ein paar Leuten diskutierend. Doch war auch seine Ruhe nur eine gespielte. Hoffentlich schafft das Auto die schwierigen Wegstellen, betete ich. Erst als wir unser Nachtquartier erreicht hatten, atmeten wir auf. Ich hätte mir hier weniger als irgendwo eine Panne gewünscht. Aber der Souspréfet hatte uns noch nicht aus den Augen gelassen und hatte die Gendarmen geschickt, unsere Papiere zu überprüfen. Glücklicherweise war der Schwager unserer Gastgeberin einer ihrer Vorgesetzten. Später erfuhren wir, daß der sog. Souspréfet nur der stellvertretende Souspréfet war, ein richtiger Bandit und Leuteschinder mit öffentlichem Amt im Rücken. Die Leute in Meyo Bibulu hat er gründlich eingeschüchtert. Doch geben die Fortschrittswilligen unter ihnen nicht auf. Ob sie noch einmal über das Brunnenprojekt diskutieren und uns dann noch einmal einladen dürften, hatten sie Christian gefragt. „Natürlich“, hatte er geantwortet, „es ist ja nicht so weit bis hierher.“

13. Meko’omengona

In Meko’omengona waren die Leute skeptisch. Irgendwelche Weißen (Missionare?) hatten im Dorf mit dem Bau von 2 Brunnen begonnen, diese aber nie fertig gestellt. Irgendwann waren sie fortgeblieben, ohne je irgendeine Erklärung abzugeben. Diese Brunnenruinen, etwa 10 und 14 Meter tiefe Löcher, wurden uns mit dem Unterton gezeigt: „Nehmt ihr uns auf den Arm wie diese da?“ Wir argumentieren: „Ehe die Brunnen gebohrt werden, muß eine Expertise erstellt werden, um einen geeigneten Standort zu finden. Dann muß der Brunnen tief genug gegraben werden. Diese beiden Brunnenlöcher waren irgendwo gebohrt worden, wo irgend jemand dachte, daß es nützlich wäre, einen Brunnen zu haben. Als nach einer gewissen Meterzahl kein Ergebnis zu sehen war, hatten sie die Geduld verloren. Wenn wir hier Brunnen bauen wollen, dann soll das richtig gemacht werden. Und die Bevölkerung muß ihren Beitrag leisten: Zement, Sand und Steine.“ Allmählich wurde die Atmosphäre entspannter. Doch dann wurden wir zum Chef de Canton (Landrat) gerufen, der in diesem Ort wohnt und den wir nicht aufgesucht haben, ehe wir uns mit den Leuten abgaben. Wir konnten uns entschuldigen, daß er nicht zu Hause gewesen sei, aber wir mußten mit aller Geduld noch einmal das ganze Anliegen erläutern. Dann wurde uns die Wasserstelle gezeigt, aus der dieser relativ große Ort schöpfte (Bild 52).
Die Gesundheitsstation der Gegend, die 1947 als Apotheke eingerichtet wurde, ließ wieder alles zu wünschen übrig. Auch sie wurde seit der Epidemie im vergangenen Jahr zur Poliklinik erklärt, ohne daß sich allerdings damit die Einrichtung oder Ausstattung in irgendeiner Weise verbessert hätte. Das ganze Zentrum besteht aus einem Sprechzimmer und einem Kreißsaal (Bild 53): Mir schauert bei der Vorstellung, hier entbinden zu müssen. Doch kommen auf diesem Gebährstuhl monatlich 4 bis 45 Kinder zur Welt. Gegenwärtig kursiert eine schwere Kinderkrankheit: Atembeschwerden, Fieber, Erbrechen, Ersticken. 6 Kinder sind in kurzer Zeit daran gestorben. Niemand weiß, was es ist. Die Krankenpfleger sind ratlos. Sie schicken die Leute zu den Volksheilern, die die Krankheit mit mehr Erfolg behandeln. Wieder wird das Problem benannt, daß es keine Kühlmöglichkeit für Impfseren gibt.

14. Andom

In Andom, etwa 15 km südlich von Meyo Centre, wurden wir bereits von den Leuten im Versammlungshaus erwartet. Bereits 5 Kubikmeter Sand läge bereit und etwa 3 Kubikmeter Steine. Das Sammeln wurde wegen des Regens unterbrochen, doch die jungen Männer wären bereits instruiert, sobald das Wetter es zuläßt, die übrigen Steine zu schleppen.
Der breite ins Buschwerk gehauene Weg, der zu der Wasserstelle führt, zeigt, daß die Männer hier bereit sind, sich einzusetzen. Denn ihre Aufgabe ist es, Wege zu bauen, während es die Frauen und Kinder sind, die diese Wege mit den Wassergefäßen gehen müssen. In anderen Dörfern wurde den Frauen viel Mühsal abverlangt. Das Wasser (Bild 54) spricht für sich. Doch gibt es hier den Luxus, daß getrennt von dem Trinkwasserbecken ein Tümpel zum Wäschewaschen angelegt ist (Bild 55).

15. Abang Bethel

Vier Kilometer nördlich von Meyo Centre suchen wir noch Abang Bethel auf. Auch hier sind bereits Vorbereitungen für den Brunnenbau getroffen und der Zement bestellt worden. Beim Anblick der Wasserstelle (Bild 56) wundere ich ich (wie so oft), daß die Leute, die davon trinken, überhaupt überleben können.

Fazit

Die Sozialstruktur im Valée du Ntem ist davon geprägt, daß hier in vorkolonialer Zeit zentrale Häuptlinge die Macht ausübten. Diese Häuptlingtümer wurden teilweise in die modernen Machtstrukturen integriert. Viele der Häuptlinge suchten sich Vorteile zu erheischen, indem sie mit den jeweiligen Machthabern kollaborierten. Für die Bevölkerung bedeutet dies, daß sie – anders als z.B. in sog. segmentären Gesellschaften, in denen die Machstruktur entlang der Verwandtschaftslinien verläuft und in denen die einzelnen Familienoberhäupter relative Autonomie besitzen – an zentralisierte Machtstrukturen gewöhnt sind. Das lässt verhältnismäßig wenig Raum für Eigeninitiative der Bevölkerung. Wenn sich – wie in dem hier konzipierten Trinkwasserprojekt – die Dorfgemeinschaft zusammenfinden muß, um ein gemeinsames Vorhaben zu verwirklichen, dann ist dies ein erster Schritt in die Richtung, nicht länger auf Anweisungen oder auch auf „Geschenke“ von oben zu warten. Das Einsammeln von Geldbeträgen für den Zement und die Organisation der erforderlichen Eigenarbeitsleistung haben einen nachhaltigen Effekt, wenn ein solches Projekt erfolgreich verläuft. Bei fast allen Versammlungen wurde uns glaubhaft versichert, daß die Leute „alles, alles in unserer Macht stehende“ tun würden, um die Mittel für einen Brunnen zu bekommen. Es ist zu erwarten, daß es nach der Verwirklichung des Brunnenbaus dabei nicht bleiben wird, sondern daß ein erfolgreich vollendetes Projekt andere Bedürfnisse realisierbar erscheinen läßt.

In Mebem, wo der Brunnen bereits steht, haben die Leute nicht nur für die Unterstützung gedankt, sondern sie haben sich auch Gedanken gemacht, wie sie ihre – wie sie sagen – seit der Vatergeneration ungleich schwerer gewordenen Lebensumstände (früher, als keine Steuern abgeführt werden mußten, war eine weniger große Anbaufläche fürs Überleben nötig) verbessern können. So wurde mir der Wunsch nach einer kooperativ betriebenen Motorsäge vorgetragen. Bei einem entsprechenden Antrag würde ich diese Anschaffung befürworten, weil sie nicht nur ein wichtiges Produktionsmittel ist, sondern weil die Anschaffung und die Verwaltung einer der Kooperative gehörenden Säge weiterhin die Organisation der Gemeinschaft und den Veränderungswillen fördern.


Ein Projektbericht von Godula Kosack

Ich wurde von der DAFRIG beauftagt, zur Einschätzung des Projekts in das Vallée du Ntem zu reisen. Vom 20. bis 23.8.97 besuchte ich in Begleitung der Präsidentin der Association du Développement de la Vallée du Ntem, Mme Lydia Assoumou, und dem Projektverantwortlichen auf Kameruner Seite, M. Christian Minkoe, Dörfer und Gesundheitsstationen im Ntem-Tal, die sich um einen Brunnen bewarben. Unser Besuch war in den einzelnen Dörfern angekündigt, und so konnte ich an zahlreichen Dorfversammlungen teilnehmen und mich über die Trinkwassersituation informieren.