In diesem Jahr wäre der erste Inhaber eines Lehrstuhls für Demographie in Deutschland, Prof. Parviz Khalatbari, 95 Jahre alt geworden. Von ihm stammt die folgende weitsichtige Vorahnung:
»Das
Grundübel unserer Welt ist ihre Polarisierung!
Die Wurzeln dafür liegen in der Industriellen Revolution und dem Kolonialismus:
An einem Pol konzentrierten sich Industrie und Reichtum, der andere Pol
lieferte Rohstoffe und hier konzentrierten sich Armut und Rückständigkeit. (…)
Ich teile also die Meinung, daß spätestens unsere Nachkommen Massenwanderungen
unbekannten Ausmaßes erleben werden. Und das wird kaum friedlich ablaufen.«
(Parviz Khalatbari,
1995)
In der gegenwärtigen Debatte um Fluchtursachen geht es bekanntlich vor allem um Umweltveränderungen infolge des Klimawandels und um die Folgen von bewaffneten Konflikten. Aber vor allem das über Jahrhunderte im kapitalistischen Weltsystem entstandene und reproduzierte Wohlstandsgefälle ist ein starker Migrationsantrieb. Wer über Fluchtursachen redet, darf von der polarisierten Wirtschaftsentwicklung im globalen Kapitalismus nicht schweigen. Oder wie es Stephan Kaufmann in einem neueren Artikel ausdrückt: »Der größte Wille zur Arbeit nützt nichts, wenn man in einem Land lebt, das zu den Weltmarktverlierern gehört. Wie viel Geld ein Mensch verdient, hängt im Wesentlichen davon ab, wo er auf die Welt kommt.«